Berlin vermietet fair

Die Unterzeichner*innen erkennen das AGG und das LADG als Instrumente zur Umsetzung von Rechten Betroffener an.

Sie folgen der Interpretation der Rechtsprechung zur Anwendung des §19(3) AGG im Sinne der Unterstützung, nicht der Verhinderung von ethnischer und sozialer Vielfalt.

Mit der Umsetzung des Leitbilds tragen sie dazu bei, das in der Berliner Landesverfassung verankerte Recht auf Wohnen sowie die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung zu stärken.

DIE LEITSÄTZE

Fair vermieten bedeutet…

… eine diskriminierungs- und vorurteilsarme Vermittlung, Vermietung und Verwaltung von Wohnungen in Berlin sicherzustellen.

WARUM GIBT ES DIESER LEITSATZ?

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kann durch aktives Handeln von Vermieterinnen bekämpft werden. Diskriminierung stellt – wie in der Präambel dieses Leitbilds ausführlicher dargestellt – für die Betroffenen ein Hindernis dar, dass in allen Lebensbereichen und sehr vielen Formen auftreten kann. Bei Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt steht meist die Vermittlung von Wohnraum am stärksten im Blick. Bereits an dieser Stelle engt sich das Angebot für von Diskriminierung Betroffene stark ein. Die Suche nach Wohnraum wird damit wesentlich aufwändiger. Das wiederholte Erleben von Ungleichbehandlung bedeutet nicht nur zeitlichen und finanziellen Mehraufwand, sondern kann auch psychische und gesundheitliche Folgen haben.

Die Kommunikation in der Anbahnung der Wohnungsvergabe, beim Vertragsabschluss und im Wohnalltag ist ein weiterer Bereich, in dem Diskriminierung auftritt. Im weiteren Sinne gibt es aber auch strukturelle Diskriminierungen, die bspw. aufgrund der baulichen Strukturen des Wohnungsbestandes bestehen. Diese geben nicht zuletzt gesellschaftlichen Machtverhältnissen Ausdruck, die Diskriminierung ermöglichen. Ein Beispiel ist der Mangel an barrierefreiem Wohnraum in Berlin.

Auch in der Verwaltung des Wohnraums, z.B. im Umgang der Vermieterinnen mit Nachbarschaftskonflikten oder bei der Bearbeitung von technischen Mängeln, tritt Diskriminierung auf. Sie ist erkennbar daran, dass Gleichbehandlung als Grundsatz und diskriminierungssensibles Vorgehen als Ausgangspunkt für faires Vermieten fehlen.

UMSETZUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR:

Einzelvermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsbaugesellschaften

GUTE PRAXIS:

Hier finden Sie Praxis-Beispiele für eine gute Umsetzung der Leitsätze

… Mitverantwortung dafür zu übernehmen, dass in Berlin ein vielfältiges Wohnungsangebot erhalten bleibt.

Der Berliner Wohnungsmarkt ist sehr angespannt, die Leerstandsquote gering und die Suche nach einer neuen Wohnung für die Mehrzahl der Wohnraum Suchenden langwierig. Es besteht vor allem Mangel an bezahlbarem Wohnraum, an großen Wohnungen für Haushalte mit mehr als vier Personen und an passendem Wohnraum für Alleinerziehende. Barrierearmer Wohnraum ist knapp, barrierefreie Wohnungen sind noch seltener verfügbar.

Mangelnde Vielfalt des Wohnungsangebots kann zu Diskriminierungen aufgrund der sozialen Lage führen: Die Sicherheit, regelmäßige Mietzahlungen zu erhalten, ist ein zentrales Vermietungskriterium. Anlass für Benachteiligung bei der Wohnraumvergabe an Haushalte mit geringem Einkommen ist jedoch z.B. mangelndes Vertrauen der Vermieterinnen in die Jobcenter als verlässliche Vertragspartnerinnen. Schufa-Bescheinigungen, die als Sicherheit bewertet werden, sind nicht für alle Wohnraumsuchenden verfügbar. Der Anlass eines negativen Schufa-Scores ist mitunter schwer nachvollziehbar bzw. zum Zeitpunkt der Wohnungssuche nicht mehr relevant. Auch Freiberuflerinnen mit oft unstetem Einkommen, das aber kein grundsätzliches Mietzahlungshindernis ist, werden häufig bei der Wohnraumvergabe benachteiligt.

… Wohnungsangebote niedrigschwellig und allgemein zugänglich zu machen.

Wer neu nach Berlin kommt oder bereits hier lebt und eine neue Wohnung sucht, ist mit einem sehr unübersichtlichen Wohnungsmarkt konfrontiert, mit unterschiedlichen Angebotsplattformen und Wohnungsanbieterinnen (Landeseigene Wohnungsunternehmen; private Wohnungsunternehmen, die lokal, überregional oder international agieren; Genossenschaften und andere selbstorganisierte Wohnformen, die an Mitglieder, teilweise aber auch frei vermieten; kleine und Einzelvermieterinnen). Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Menschen zu allen Wohnungsannoncen die gleiche Zugangsmöglichkeit haben. Hier entsteht ein erstes Diskriminierungsrisiko: Gleichberechtigter Zugang zum Wohnungsangebot entsteht nur durch allgemein zugängliche und niedrigschwellige Veröffentlichung der Wohnungsangebote.

Ein Sonderfall sind Genossenschaften: Sie vermieten ihre Bestände überwiegend an Mitglieder und kommunizieren ihre Wohnungsangebote entsprechend weitgehend intern. Auch bei genossenschaftlichen Wohnungsangeboten gegenüber Mitgliedern oder Nicht-Mitgliedern werden Diskriminierungsfälle bekannt, die nicht mit dem Genossenschaftsgesetz und entsprechenden Satzungen zu rechtfertigen sind.

Eine Wohnungsannonce ist allgemein zugänglich, wenn sie geeignet ist, der Allgemeinheit, also einem nicht festgelegten Personenkreis, Informationen zu einem Wohnungsangebot zugänglich zu machen.

Niedrigschwellig bedeutet hier, dass die Nutzung von Internetplattformen zur Wohnungssuche nur einen geringen Aufwand erfordert und darauf geachtet wird, dass die vermittelte Information sich auch Personen erschließt, die nicht geübt sind im Lesen von Plänen und im Verstehen unkommentierter Abbildungen.

… Diskriminierungsbeschwerden ernst zu nehmen, zu bearbeiten und Maßnahmen gegen diese Diskriminierungen zu entwickeln.

Von Diskriminierung Betroffene wählen zunehmend ein sachgerechtes Testing und/oder eine Diskriminierungs-beschwerde, um eine Ungleichbehandlung nachzuweisen oder gegen sie anzugehen. In vielen Fällen nehmen sie dafür auch die Beratung und Begleitung durch eine unabhängige Anti-Diskriminierungs-Beratung in Anspruch. Diese unterstützt sie durch die Formulierung einer Diskriminierungsbeschwerde und in der folgenden Kommunikation mit dem/der Vermieterin, bis hin zum Klageweg. Viele Vermieterinnen haben keine Verfahrenswege für einen solchen Vorfall etabliert und/oder reagieren nicht lösungsorientiert, sondern ablehnend. Dies erschwert es, den Vorfall aufzuklären und der betroffenen Person zu ihrem Recht zu verhelfen.

… dass Vermieter*innen und Hausverwaltungen bei Nachbarschaftskonflikten diskriminierungssensibel reagieren.

Vermieterinnen und Hausverwaltungen haben ein begründetes Interesse an einem guten und friedlichen Miteinander ihrer Mieterinnen.


Im Falle von diskriminierendem Verhalten in der Nachbarschaft liegt es jedoch – analog zur Fürsorgepflicht von Arbeitgeberinnen gegenüber Beschäftigten – in der Verantwortung der Vermietenden/Wohnungsbestände Verwaltenden, ein Nachbarschaftsverhältnis in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Akzeptanz einzufordern und zu unterstützen. Aus dem § 535 BGB leiten sich für die Vermietenden Pflichten ab, Mieterinnen von Störungen durch die Nachbarinnen zu schützen. Im Gegensatz dazu finden insbesondere Bewohnerinnen mit Kindern und/oder Migrationshintergrund People of Colour, Menschen mit einer Behinderung und LGBTIQ* im Konfliktfall häufig kein Gehör bei den Verantwortlichen oder erleben eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen/die Diskriminierung verursachenden Bewohner*innen.

… Vergabeprozesse für Wohnungssuchende nachvollziehbar zu kommunizieren und Vergabekriterien sichtbar zu machen.

Mangels einheitlicher Vergabeverfahren ist für Wohnungssuchende bei der Bewerbung auf Wohnungsangebote oft weder nachvollziehbar, welchen Weg die Bewerbung nach dem Eingang nimmt, noch nach welchen Kriterien sie im Bewerbungsprozess bearbeitet wird. Die Erfahrung von Anti-Diskriminierungsberatungen zeigt, dass Herkunft in der Regel als Vermietungskriterium bestritten wird, in der Vermietungspraxis jedoch nachvollziehbar zum Tragen kommt und entsprechend mit negativen Zuschreibungen verbunden wird. Es gibt mehrere und für die verschiedenen Typen von Vermieter*innen unterschiedlich gut umsetzbare Verfahren diskriminierungsarmer Wohnraumvergabe. In einem sehr angespannten Wohnungsmarkt können – wo es die Rechtsform der Wohnraum Anbietenden und Bestandsgrößen erlauben – auch bei fairen Vergabestrukturen (Mindest-)Quoten notwendig sein um besonders benachteiligten Gruppen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass mangelnde Transparenz von Vergabeprozessen und den dabei stattfindenden Priorisierungen insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten Diskriminierungsvermutungen unterstützt.

… Kommunikation mit den Mieter*innen verständlich, diskriminierungsfrei und in leichter Sprache zu gestalten.

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist nicht zuletzt verankert im Sprachgebrauch und in den Kommunikationen von Vermietung und Verwaltung von Wohnraum. Im wohnungswirtschaftlichen Alltag fehlt häufig ein Bewusstsein dafür, dass Sprache Wirklichkeit hervorbringt. Wörter erzeugen in unseren Köpfen bestimmte Bilder von Realität. Sie können Stereotype und Vorurteile bekräftigen oder für Vielfalt öffnen. Die Verwendung einer diskriminierungsfreien und leichten Sprache spiegelt und unterstützt eine an Vielfalt orientierte Gesellschaft, die Diskriminierungen ablehnt und ihre Instrumente nutzt, eine solche zu verhindern.

Kommunikation bedeutet hier jegliche Kommunikation zwischen der vermietenden Seite (Vermieterin, Hausverwaltung, Hausmeisterin, Handwerk/Technik mit Kontakt zu Mieterinnen) und den Mieterinnen. Dazu zählen also neben dem gesprochen Wort auch Mietverträge, Anhänge zu Mietverträgen, die Hausordnung und Aushänge im Hausflur.

… Wohnungsannoncen diskriminierungsfrei zu formulieren.

Nicht selten tritt Diskriminierung bereits bei der Formulierung von Wohnungsannoncen auf, sei es in Annoncen in Tageszeitungen oder auf Immobilienportalen. Viele Vermieter*innen haben sich seit 2006 informiert zum AGG und sogenannten „AGG-festen“ Absagen. Weniger Interesse scheint bisher die Formulierung AGG-konformer Annoncen zu finden, mit einer inhaltlichen Aussage, die den Ausschluss von an der angebotenen Wohnung Interessierten vermeidet. Bereits an dieser Stelle werden z.B. häufig Wohnraum Suchende diskriminiert, denen eine nicht-deutsche Herkunft zugeschrieben wird, mit einer Behinderung leben oder in bestimmte Familienformen. Auf mindestens zwei Ebenen betroffen sind Wohnraum Suchende, die in prekären Einkommenssituationen leben: Zum einen finden sich Wohnungsannoncen, die Personen ausschließen, deren Mietzahlung über das Job-Center erfolgt, zum anderen verfügen sie zwar in der Regel über einfache Internetzugänge, nicht aber zwangsläufig über die Möglichkeit, bestimmte Dateiformate/Scans hochzuladen.

Diskriminierungsfreiheit von Wohnungsannoncen erfordert ein aktives Bemühen um eine entsprechende inhaltliche und Textgestaltung. Letztere kann leicht erreicht werden durch die Einhaltung von Sprachregeln, bei Werbung von Unternehmen ggfs. Kriterien der Bildauswahl. Sie erfordert weiter eine vollständige, einfach nachvollziehbare Beschreibung des zu vermietenden Wohnraums und der Mietkonditionen.

… sich als Vermieter*in mit den verschiedenen Formen von Diskriminierung und gesellschaftlichen Machtverhältnissen auseinanderzusetzen,
die zu Diskriminierung führen und in Kenntnis des AGG gegen Diskriminierung vorzugehen.

Viele Vermieter*innen und Hausverwaltungen haben sich bzw. ihr Personal seit 2006 zum AGG informiert, um den mit dem AGG veränderten rechtlichen Rahmen ihrer Vermietungsprozesse zu kennen. Ungeachtet dessen kommen Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt weiterhin und in unterschiedlichen Formen vor. Ein breiteres Wissen zu den Formen der Diskriminierung und den Effekten für die Lebenswelten der Betroffenen trägt dazu bei, Diskriminierung zu verhindern bzw. im Diskriminierungsfall die Beschwerde nachvollziehen, bearbeiten und zukünftig vermeiden zu können. Aus gleichstellungspolitischer Perspektive hat die Wahrnehmung entsprechender Weiterbildung auch einen symbolischen Wert, als Ausdruck der Selbstverpflichtung zu diskriminierungsarmem Vermieten.

Direkte Formen der Diskriminierung, von deren Existenz die Fallberatungen der Antidiskriminierungsberatung und zunehmend Gerichtsurteile zeugen, werden zumindest von den Betroffenen meist klar als Diskriminierung wahrgenommen. Unterschieden wird zwischen unmittelbaren Formen der Diskriminierung (individuelles Handeln und Vorurteile) und mittelbaren Formen (durch Umsetzung vermeintlich neutraler Regeln, Satzungen und Vorschriften).
Mittelbare Formen der Diskriminierung sind strukturell oder institutionell verankert, sie können die bspw. in die bauliche Struktur oder den Zustand des Wohnungsbestandes eingeschrieben sein.