Berlin vermietet fair

Das Leitbild „Berlin vermietet fair!“ zielt darauf, eine große Vielfalt von Berliner Vermieter*innen zu einer diskriminierungsarmen Wohnungsbewerbung, Vergabe, Vermietung und Verwaltung von Wohnraum zu motivieren. Es wurde von der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt „Fair mieten – Fair wohnen“ in Zusammenarbeit mit Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Wohnungswirtschaft entwickelt. Diskriminierungsfreies wohnungswirtschaftliches Handeln ist dabei die langfristige Vision.

Berlin hat einen sehr angespannten Wohnungsmarkt, in dem kaum neu vermietet wird und die Konkurrenz nicht nur um bezahlbare Wohnungen stetig wächst. Dies erschwert vor allem benachteiligten Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Wohnraum und erhöht generell das Risiko, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt zu erfahren.

Vor dem Hintergrund des Rechts auf Gleichbehandlung auch im Bereich des Wohnens ist es besonders wichtig, dass Vermieter*innen ihre Machtposition verantwortungsvoll nutzen und bei der Wohnungsbewerbung, Vergabe, Vermietung und Verwaltung von Wohnraum diskriminierungsarm handeln. Das Leitbild bietet dafür eine Orientierungshilfe und das Bekenntnis zu den 9 Leitsätzen und ihre Umsetzung – tragen zu einer Kultur fairen Vermietens bei.


DIE LEITSÄTZE

Fair vermieten bedeutet…

… eine diskriminierungs- und vorurteilsarme Vermittlung, Vermietung und Verwaltung von Wohnungen in Berlin sicherzustellen.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kann durch aktives Handeln von Vermieter*innen bekämpft werden. Diskriminierung stellt für die Betroffenen ein Hindernis dar, das in allen Lebensbereichen und diversen Formen auftreten kann.

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist bei der Vermittlung von Wohnraum am deutlichsten erkennbar. Bereits an dieser Stelle engt sich das Angebot für von Diskriminierung Betroffene stark ein. Die Suche nach Wohnraum wird damit wesentlich aufwendiger. Das wiederholte Erleben von Ungleichbehandlung verursacht nicht nur zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand, sondern kann auch zu psychischer und gesundheitlicher Belastung führen. Auch in der Kommunikation, im Vorfeld der Wohnungsvergabe, beim Vertragsabschluss und im Wohnalltag tritt Diskriminierung auf. Darüber hinaus gibt es strukturelle Diskriminierungen, die sich beispielsweise aus der Struktur von Wohnungsbeständen und dem Mangel an barrierefreiem Wohnraum ergeben.

Diskriminierung kommt auch in der Verwaltung des Wohnraums, z. B. im Umgang der Vermieter*innen mit Nachbarschaftskonflikten oder bei der Bearbeitung von technischen Mängeln vor.

Diskriminierungsarme Vermietung und Bewirtschaftung von Wohnraum können deshalb nur dort stattfinden, wo der Grundsatz der Gleichbehandlung und diskriminierungssensibles Vorgehen gezielt umgesetzt werden.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Mitverantwortung dafür zu übernehmen, dass in Berlin ein vielfältiges Wohnungsangebot erhalten bleibt.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Der Berliner Wohnungsmarkt ist sehr angespannt. Die Leerstandsquote ist gering und die Suche nach einer neuen Wohnung ist langwierig für viele, die Wohnraum suchen. Es besteht vor allem Mangel an bezahlbarem Wohnraum, an großen Wohnungen für Haushalte mit mehr als vier Personen und an passendem Wohnraum für Alleinerziehende. Barrierearmer Wohnraum ist knapp, barrierefreie Wohnungen sind noch seltener verfügbar.

Mangelnde Vielfalt des Wohnungsangebots kann zu Diskriminierungen aufgrund der sozialen Lage führen: Die Sicherheit, regelmäßige Mietzahlungen zu erhalten, ist ein zentrales Vermietungskriterium. Bei der Wohnungsvergabe werden Haushalte mit geringem Einkommen häufig benachteiligt, weil Vermieter*innen die Jobcenter nicht als verlässliche Vertragspartnerinnen ansehen. Schufa-Bescheinigungen, die als Sicherheit bewertet werden, sind nicht für alle Wohnraumsuchenden verfügbar. Ein negativer Schufa-Score ist manchmal schwer nachvollziehbar oder zum Zeitpunkt der Wohnungssuche nicht mehr aktuell. Freiberufler*innen haben häufig ein unregelmäßiges Einkommen und werden deshalb bei der Wohnraumvergabe benachteiligt. Unregelmäßiges Einkommen ist jedoch nicht grundsätzlich als Mietzahlungshindernis zu bewerten.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Wohnungsangebote niedrigschwellig und allgemein zugänglich zu machen.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Wer neu nach Berlin kommt oder bereits hier lebt und eine neue Wohnung sucht, ist mit einem sehr unübersichtlichen Wohnungsmarkt konfrontiert. Dies liegt an den unterschiedlichen Angebotsplattformen und Wohnungsanbieter*innen. In Berlin werden Wohnungen von landeseigenen Wohnungsunternehmen sowie privaten Wohnungsunternehmen vermietet, die lokal, überregional oder international agieren. Der Großteil der Berliner Wohnungen in Berlin gehört kleinen und Einzelvermieter*innen.

Ein Sonderfall sind Genossenschaften und andere selbstorganisierte Wohnformen: Sie vermieten ihre Bestände überwiegend an Mitglieder und kommunizieren ihre Wohnungsangebote weitgehend intern. Auch bei genossenschaftlichen Wohnungsangeboten gegenüber Mitgliedern oder Nicht-Mitgliedern werden Diskriminierungsfälle bekannt, die nicht mit dem Genossenschaftsgesetz und entsprechenden Satzungen zu rechtfertigen sind.

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Menschen die gleiche Zugangsmöglichkeit zu Wohnungsannoncen haben. Hier entsteht ein erstes Diskriminierungsrisiko: Gleichberechtigter Zugang zum Wohnungsangebot entsteht nur durch allgemein zugängliche und niedrigschwellige Veröffentlichung der Wohnungsangebote. Eine Wohnungsannonce ist allgemein zugänglich, wenn sie geeignet ist, der Allgemeinheit – also einem nicht festgelegten Personenkreis – Informationen zu einem Wohnungsangebot zugänglich zu machen. Niedrigschwellig bedeutet hier, dass die Nutzung von Internetplattformen zur Wohnungssuche nur einen geringen Aufwand erfordert. Zudem wird darauf geachtet, dass die vermittelte Information auch Personen verstehen, die es nicht gewohnt sind, Pläne zu lesen und unkommentierte Abbildungen zu erkennen.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Diskriminierungsbeschwerden ernst zu nehmen, zu bearbeiten und Maßnahmen gegen diese Diskriminierungen zu entwickeln.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Von Diskriminierung Betroffene wählen zunehmend ein sachgerechtes Testing und/oder eine Diskriminierungsbeschwerde, um eine Ungleichbehandlung nachzuweisen oder gegen sie vorzugehen. In vielen Fällen nehmen sie dafür auch die Beratung und Begleitung durch eine unabhängige Antidiskriminierungsberatung in Anspruch. Diese unterstützt sie durch die Formulierung einer Diskriminierungsbeschwerde und in der folgenden Kommunikation mit Vermieter*innen, bis hin zum Klageweg. Viele Vermieter*innen haben keine klare Vorgehensweise für einen solchen Vorfall etabliert und/oder reagieren nicht lösungsorientiert, sondern ablehnend. Dies erschwert es, eine Diskriminierung aufzuklären und der betroffenen Person zu ihrem Recht zu verhelfen.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… dass Vermieter*innen und Hausverwaltungen bei Nachbarschaftskonflikten diskriminierungssensibel reagieren.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Vermieter*innen und Hausverwaltungen haben ein begründetes Interesse an einem guten und friedlichen Miteinander ihrer Mieter*innen.

Im Falle von diskriminierendem Verhalten in der Nachbarschaft liegt es jedoch – analog zur Fürsorgepflicht von Arbeitgeber*innen gegenüber Beschäftigten – in der Verantwortung der Vermieter*innen oder der Hausverwaltung, ein Nachbarschaftsverhältnis in gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Akzeptanz einzufordern und zu unterstützen. Aus dem § 535 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) leiten sich für sie Pflichten ab, Mieter*innen von Störungen durch die Nachbar*innen zu schützen. Im Gegensatz dazu finden insbesondere Bewohner*innen mit Kindern und/oder Migrationshintergrund, People of Color, Menschen mit einer Behinderung und LGBTIQ* im Konfliktfall häufig kein Gehör bei den Verantwortlichen. Diese Personen erleben häufig auch eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen oder sie diskriminierenden Bewohner*innen.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Vergabeprozesse für Wohnungssuchende nachvollziehbar zu kommunizieren und Vergabekriterien sichtbar zu machen.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Mangels einheitlicher Vergabeverfahren ist für Wohnungssuchende bei der Bewerbung auf Wohnungsangebote oft weder nachvollziehbar, welchen Weg die Bewerbung nach dem Eingang nimmt, noch nach welchen Kriterien sie im Bewerbungsprozess bearbeitet wird. Grundsätzlich ist zu vermuten, dass Diskriminierung durch intransparente Vergabeprozesse unterstützt wird.

Die Erfahrung von Antidiskriminierungsberatungen zeigt, dass Herkunft als Vermietungskriterium in der Regel bestritten wird. In der Vermietungspraxis wird dieses Kriterium jedoch nachprüfbar angewendet und mit negativen Zuschreibungen verbunden.

Es gibt verschiedene Verfahren diskriminierungsarmer Wohnungsvergabe. Verschiedene Typen von Vermieter*innen können diese Maßnahmen unterschiedlich gut umsetzen.

In einem sehr angespannten Wohnungsmarkt könnte auch bei fairen Vergabeprozessen die Einführung von (Mindest-) Quoten für besonders benachteiligte Gruppen notwendig sein. Ob diese Möglichkeit besteht, hängt von der Rechtsform derjenigen ab, die Wohnraum anbieten sowie von der Bestandsgröße über die Vermieter*innen verfügen.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Kommunikation mit den Mieter*innen verständlich, diskriminierungsfrei und in leichter Sprache zu gestalten.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Kommunikation bedeutet hier jegliche Kommunikation zwischen der vermietenden Seite (Vermieter*in, Hausverwaltung, Hausmeister*in, Handwerk/Technik mit Kontakt zu Mieter*innen) und den Mieter*innen. Dazu zählen also neben dem Gesprochen auch Mietverträge, Anhänge zu Mietverträgen, die Hausordnung und Aushänge im Hausflur.

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist nicht zuletzt im Sprachgebrauch und in der Kommunikation zu Vermietung und Verwaltung von Wohnraum verankert. Im wohnungswirtschaftlichen Alltag fehlt häufig ein Bewusstsein dafür, dass Sprache Wirklichkeit hervorbringt: Wörter erzeugen in unseren Köpfen bestimmte Bilder, Sprache kann Stereotypen und Vorurteile bekräftigen oder umgekehrt für Diversität öffnen. Diskriminierungsfreie und Leichte Sprache sind Instrumente, die Diskriminierung verhindern können und eine an Vielfalt orientierte Gesellschaft fördern.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… Wohnungsannoncen diskriminierungsfrei zu formulieren.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Nicht selten tritt Diskriminierung bereits bei der Formulierung von Wohnungsannoncen auf, sei es in Annoncen, in Tageszeitungen oder auf Immobilienportalen. Seit dem in Kraft treten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006, haben viele Vermieter*innen sich zu sogenannten „AGG-festen“ Absagen informiert. Weniger verbreitet sind AGG-konforme Annoncen, die so formuliert sind, dass ihre inhaltliche Aussage keine Wohnungsinteressent*innen ausschließt. Bereits an dieser Stelle sind häufig Personen von Diskriminierung betroffen, denen eine nicht-deutsche Herkunft zugeschrieben wird, die mit einer Beeinträchtigung oder in bestimmten Familienformen leben.

Auf mindestens zwei Ebenen häufig von Diskriminierung betroffen sind Wohnraum Suchende, die in prekären Einkommenssituationen leben: Vermieter*innen schließen gerne Personen aus, deren Miete das Jobcenter bezahlt. Gleichzeitig kommt es vor, dass von Transferleistungen Abhängige zwar über einen Zugang zum Internet verfügen, aber keine Möglichkeit haben, bestimmte Dateiformate oder Scans hochzuladen.

Diskriminierungsfreie Wohnungsannoncen zu schalten, erfordert ein aktives Bemühen um eine entsprechende inhaltliche und textliche Gestaltung. Letztere kann leicht erreicht werden durch die Einhaltung von Regeln für einfache Sprache bei Werbung von Unternehmen oder durch. Kriterien der Bildauswahl erreicht werden. Sie erfordert außerdem eine vollständige, einfach nachvollziehbare Beschreibung des zu vermietenden Wohnraums und der Mietkonditionen.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen

… sich als Vermieter*in mit den verschiedenen Formen von Diskriminierung und gesellschaftlichen Machtverhältnissen auseinanderzusetzen, die zu Diskriminierung führen und in Kenntnis des AGG gegen Diskriminierung vorzugehen.

WARUM GIBT ES DIESEN LEITSATZ?

Seit dem in Kraft treten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 kennen viele Vermieter*innen, Hausverwaltungen sowie ihr jeweiliges Personal die Inhalte des AGG und seine rechtlichen Auswirkungen auf den Vermietungsprozess.

Ungeachtet dessen kommen Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt weiterhin und in unterschiedlichen Formen vor. Wissen zu den Formen der Diskriminierung und ihrer Auswirkung auf die Lebensrealität von Betroffenen kann dazu beitragen, Diskriminierung zu verhindern. Es trägt auch dazu bei, im Diskriminierungsfall die Beschwerde nachzuvollziehen, zu bearbeiten und zukünftig zu vermeiden.

Aus gleichstellungspolitischer Perspektive hat die Wahrnehmung entsprechender Weiterbildungen auch einen symbolischen Wert: Sie ist ein Ausdruck der Selbstverpflichtung zu diskriminierungsarmem Vermieten.

Unterschieden wird zwischen unmittelbaren Formen der Diskriminierung (individuelles Handeln und Vorurteile) und mittelbaren Formen (durch Umsetzung vermeintlich neutraler Regeln, Satzungen und Vorschriften). Direkte Formen der Diskriminierung, von deren Existenz die Fallberatungen der Antidiskriminierungsberatung und zunehmend Gerichtsurteile zeugen, werden zumindest von den Betroffenen meist klar als Diskriminierung wahrgenommen.

Mittelbare Formen der Diskriminierung sind strukturell oder institutionell verankert. Sie können beispielsweise in die bauliche Struktur oder den Zustand des Wohnungsbestandes eingeschrieben sein.

UMSETZUNG DER LEITSÄTZE FÜR:

private Vermieter*innen

Hausverwaltungen

Genossenschaften

Wohnungsunternehmen